Vor 80 Jahren stand sie auf der Todesliste. ‑ So begann am vergangenen Dienstag, dem 6. Februar, die Holocaust-Überlebende Eva Weyl ihren Vortrag am Georg-Forster-Gymnasium. Seit acht Jahren besucht sie jährlich anlässlich des Holocaust-Gedenktages unsere Schule und berichtet Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 von ihrer Zeit im Konzentrationslager Westerbork.
Der Vortrag der Zeitzeugin thematisiert allerdings nicht nur ihre Zeit im Durchgangslager, sondern auch die Zeit davor und danach. Eva Weyl spricht sowohl von ihrer Kindheit im niederländischen Arnhem, in das ihre Familie geflohen war, als auch von ihrer Zeit als Jugendliche nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie spricht über eine jugendliche Romanze, erzählt von ihren zwei Ehen, von ihren Kindern und Enkeln, zeigt sogar Bilder. Die Erzählungen berühren die Abiturientinnen und Abiturienten sehr, insbesondere weil Weyl verdeutlicht, wie gewöhnlich sie ihr Leben weiter geführt hat.
Der Holocaust war ein tiefer Einschnitt in das Leben der 88 jährigen, nichtsdestotrotz ist es nicht alles, was sie definiert. Sie ist viel mehr als nur eine Überlebende, das wird deutlich. Durch ihre persönliche und emotionale Art zu berichten, schafft sie, was Geschichtsbücher oft nicht schaffen. Sie macht das Geschehene für die Jugendlichen greifbar und bringt es ihnen nah. Plötzlich wirkt die Zahl 6 Millionen nicht mehr so anonym, stattdessen wird begreiflich, dass sich dahinter individuelle Schicksale und Geschichten verbergen.
Der Jahrgang empfindet vor allem ihr Auftreten als bewundernswert. Ihre sehr positive Art und ihren humorvollen Charakter, den sie mit dem ein oder anderen Scherz an der richtigen Stelle zeigt. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass sie die Strecke von ihrer Heimat Amsterdam bis nach Kamp-Lintfort selbst gefahren ist.
Dennoch macht Eva Weyl klar, wie wichtig ihr der Protest gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung aller Art sowie Mobbing und Ausgrenzung ist. „Mit Mobbing hat es angefangen“, betont sie dabei in Bezug auf das Schicksal der deutschen Juden und Jüdinnen in den 1930er Jahren.
Ihr Appell ist nicht zu überhören, ganz im Gegenteil, er ist klar und deutlich. Ein solches Verbrechen darf sich niemals wiederholen. Der nationalsozialistische Völkermord an 6 Millionen Juden aber auch Sinti und Roma, Homosexuellen, geistig und körperlich Behinderten sowie politischen Gegnern ist beispiellos in der Menschheitsgeschichte und liegt heute schon 79 Jahre zurück. Die Zahl der Überlebenden wird immer geringer. Umso wichtiger ist es, über die Geschichte aufzuklären und aus jungen Menschen “Zweitzeugen” zu machen, die Geschichten, wie die von Eva Weyl auch in Zukunft noch weitergeben können.
Aydanur Demir und Viktoria Weber
Stolpersteine in Kamp-Lintfort gereinigt
Anlässlich des Holocaust-Gedenktages wenige Tage vor dem Besuch Eva Weyls haben Schülerinnen der Q1 und Q2 Stolpersteine in Kamp-Lintfort gereinigt und im Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten Rosen niedergelegt.