Das Erziehungsprogramm „Erwachsen werden“
(LIONS-QUEST)
„Wer sich morgen sein Haus einrichten will, muss heute anfangen zu bauen.“
Oder: Wer morgen eine funktionierende Gesellschaft haben will, muss heute mit dem sozialen Lernen beginnen.
Aus dieser Überzeugung heraus ist an unserer Schule das Erziehungsprogramm „Erwachsen werden“ (LIONS-QUEST) zu einem festen Bestandteil der Erziehungsarbeit in der Erprobungsstufe geworden. Wir wollen damit die Persönlichkeitsentwicklung der an der Schwelle zur Pubertät stehenden Kinder nachhaltig positiv beeinflussen. Ausbildung von Ich-Stärke, Teamfähigkeit und die Aneignung von Verfahren zur Konfliktbewältigung sind dabei die hervorstechendsten Ziele dieses Programms. In späteren Jahrgängen könnte (,falls das Programm einmal weitergeführt werden könnte,) die Drogenprävention hinzukommen.
Seit dem Schuljahr 1998/99 haben 16 Kolleginnen und Kollegen unserer Schule an dem dreitägigen Einführungsseminar teilgenommen und die meisten davon konnten als Klassenlehrerin oder Klassenlehrer ihre Kenntnisse und Erfahrungen in die praktische Unterrichts- und Erziehungsarbeit einbringen. Im Wochenplan der Klassenstufe 5 ist eine „LQ-Stunde“ fest integriert, sodass sich die Kinder darauf verlassen können, soziale Lernerfahrungen machen zu können. Die Bausteine des Programms greifen Themen der Unterrichtsfächer Politik (Gesellschaftslehre bzw. Sozialkunde), Religion, und Biologie auf, lassen sich aber auch durch Einübung fachrelevanter Arbeitsweisen (z.B. Deutsch: Textarbeit, Gesellschaftslehre/Politik: Befragungen, Erkundungen) in weitere Fächer integrieren oder bieten Anregungen zu fächerübergreifenden Projekten. Viele Aktivitäten des Programms sind handlungsorientiert angelegt, fördern die Arbeit in Kleingruppen und motivieren die Schülerinnen und Schüler zur selbständigen Arbeit. „Erwachsen werden“ knüpft damit an vielen Lehrerinnen und Lehrern bereits bekannte Inhalte und Methoden an und verbindet sie mit Themen, die in der (beginnenden) Pubertät im Vordergrund stehen.
Jeder Teil des Programms ist einem speziellen Thema gewidmet:
1) Ich und meine (neue) Gruppe
Der erste Teil zielt darauf, dass die neu aufgenommenen Schülerinnen und Schüler sich innerhalb der neuen Klassengemeinschaft kennen und damit auch respektieren lernen. Alle sollen sich wohl und sicher fühlen und mit Freude und Erfolg lernen können. Ausgewählte Aufgaben und spielerische Übungen helfen den Kindern, mehr von den Eigenschaften und Vorlieben der anderen zu erfahren.
2) Stärkung des Selbstvertrauens
Selbstvertrauen und Selbstsicherheit kann man erwerben und verstärken. Ein Schwerpunkt des zweiten Teils liegt auf der Selbsteinschätzung. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl werden gefördert, indem die positiven Eigenschaften und Stärken der Jugendlichen ihnen selbst und anderen bewusst gemacht werden. Gutes Zuhören, sich Gehör verschaffen, andere respektieren und dies von anderen einfordern, Verantwortung für die eigene Meinung und das eigene Handeln übernehmen sind weitere Themen dieses Teils.
3) Mit Gefühlen umgehen
„Ich verstehe mich und meine Gefühle besser.“ Die Jugendlichen werden in der Fähigkeit gefördert, eigene Gefühle wahr- und ernst zu nehmen, sie zu akzeptieren, auszudrücken und als etwas zu begreifen, das ihnen bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit hilft. Ein wichtiges Thema ist hier auch der Umgang mit belastenden Situationen.
4) Die Beziehungen zu meinen Freunden
„Ich tue etwas für meine Freundschaften.“ Wie kann man echte Freundschaften aufbauen, weiterentwickeln, verbessern? Welchen Einfluss hat die Clique? Wie hält man Gruppendruck stand? Wie geht man mit Enttäuschungen, mit einem Verlust um?
5) Mein Zuhause
Wo ist mein Zuhause? Nicht nur die Zusammensetzung von Familien, auch das Zusammenleben hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert. Welche Erwartungen und Wünsche haben Jugendliche, was empfinden sie als enttäuschend oder konfliktträchtig? Teil 5 des Programms regt an, die Beziehungen innerhalb des eigenen Zuhauses und in anderen Familien zu reflektieren und Schritte zur Verbesserung der Beziehungen oder zur Lösung von Konflikten zu gehen.
6) Es gibt Versuchungen: Entscheide dich
„Ich treffe meine Entscheidungen.“ In diesem besonders wichtigen Teil geht es um das Problem der Verantwortung eigener Entscheidungen u. a. zu den Themen Lebensstil, Umgang mit dem eigenen Körper, berufliche Zukunft. Hier werden auch Informationen über Suchtmittel und Fragen des Suchtverhaltens aufgegriffen: z. B. die Wirkung von Tabak, Alkohol und illegalen Drogen, die Rolle der Werbung und der Medien, Vermeidung von Suchtverhalten. Wie schaffe ich es, „Nein!“ zu sagen.
7) Ich weiß, was ich will
„Ich weiß, was ich will.“ Jugendliche haben viele Träume und Hoffnungen, was sie einmal in ihrem Leben erreichen möchten. Doch damit ihre Träume und Hoffnungen Realität werden können, müssen sie sich Ziele setzen und sich auf den Weg machen. Mit guter Planung, Anstrengung, Geduld und Selbstdisziplin lässt sich viel erreichen. Der letzte Teil des Programms vermittelt Hilfen zu diesem Weg.
Weitere Perspektiven:
Auch wenn einige der Verfahren, wie das Stillezeichen und die Energizer, und Ergebnisse, wie die fixierten Klassenregeln, in die nächsten Jahre „mitgenommen“ werden können, wäre es trotzdem wünschenswert, wenn zumindest in der Jgst. 6 diese Stunde ebenfalls installiert werden könnte. Denkbar sind hierbei auch andere Modelle, wie z.B. eine Monatseröffnung mit LIONS-QUEST.
An der sozialen Erziehung ist neben der Schule natürlich vorrangig das Elternhaus, aber auch das gesamte soziale Umfeld beteiligt. Innerhalb des Programms ist angelegt, alle beteiligten Gruppen zu aktivieren und miteinander ins Gespräch zu bringen, z. B. durch themenbezogene Elternarbeit, Elternbriefe, das Elternheft „Die Jahre der Überraschungen“, Öffnung von Schule im Rahmen der vorgeschlagenen Einladungen an fachkundige Gäste in Teil 1 und 7, durch unterschiedliche Projekte und häufige Befragungen Erwachsener bzw. der Eltern. Diese zusätzliche Arbeit kann aber sicherlich nur dann geleistet werden, wenn auf politischer Ebene das Programm unterstützt wird (wie in anderen Ländern) und infolgedessen neue Ressourcen bereit gestellt werden.